Urlaub für Quereinsteiger

Kleiner Abstecher nach Sizilien – (nicht ganz) ohne Nachbarn

Katrin ist stinksauer, als sie dahinterkommt, dass Pauls versprochene Italienreise eine Finte ist. Entschieden macht sie sich allein auf den Weg. In Rom trifft sie auf Detektiv Müller, der mal wieder einen dubiosen Auftrag an Land gezogen hat. Anfangs skeptisch lässt sie sich von ihm überreden, in eine zweifelhalte Rolle zu schlüpfen – und bereut es schnell.

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Leserstimmen

  • Wie gehofft leicht zu lesende Literatur zum Lachen und genießen.
  • Durch die lebendige und erfrischende Erzählweise wurde ich förmlich in die Geschichte hineingezogen.
  • Mit viel Wortwitz, Charme und Biss lässt die Autorin ihre Charaktere durch die schöne italienische Landschaft streifen
  • Eigentlich müsste diese Serie verfilmt werden.

Leseprobe 

Katrin hatte ganz konkrete Vorstellungen von ihrem eigenen Café gehabt: Die Möblierung eine bunte Vielfalt aus unterschiedlichsten Sitzgelegenheiten, bunt lackierte Stühle, gemütliche Sessel, ein uriges Sofa, Bistrotische, Regale für Kleinkunst, ein altes Piano und an den Wänden jede Menge Platz für Bilderausstellungen. Sie wollte der Kunst, auch ihrer eigenen, einen Raum geben, wollte Kabarett- und Liederabende veranstalten, Autorenlesungen organisieren, Fotos, Skulpturen und gemalte Bilder ausstellen – außer die von Gaby Hollmann – wollte in die Bohème-Welt eintauchen. Ihr Café Kleinkunst sollte ein angesagter Treffpunkt für die Künstler der Stadt werden – außer für Gaby Hollmann – und nebenbei der Sicherung ihres eigenen Einkommens dienen. Vor allem aber sollte es die berufliche Erfüllung werden, nach der sie so lange gesucht hatte.
Die Voraussetzungen dafür waren perfekt gewesen. Ihre beiden Töchter waren groß und sie konnte sich endlich ihrer Selbstverwirklichung widmen. Die perfekte Location für das Café hatte sich schnell finden lassen und Dank des Geldsegens aus dem Coup, den sie letztes Jahr in Italien mit ihrem guten alten Freund Hermann Müller gelandet hatte, war auch die Finanzierung nicht das Problem gewesen.
»Kaki, kannst du bitte das Fläschchen für Marie-Claire warm machen?«
Eine der jungen Mütter kam mit ihrem verheulten Töchterchen auf dem Arm an den Tresen und reichte Katrin das Milchfläschchen.
»Bitte, Yvonne, nenn mich nicht Kaki. Schlimm genug, wenn die Kinder das tun.«
»Wieso? Wir finden das alle süß. Wir sollten deinen Laden in Café Kaki umbenennen. Hm, was meinst du, Marie-Claire?« Angetan von ihrer originellen Idee strich sie dem Kind über den Kopf. Marie-Claire hörte prompt zu weinen auf und lachte wie ein Honigkuchenpferd.
Katrin fand das nicht lustig. Irgendwas lief hier falsch. Sie musste dringend lernen, sich durchzusetzen. Kaki!! Also wirklich! Sie nahm Yvonne das Fläschchen ab und stellte es in den Flaschenwärmer, den sie einer Sammelaktion einiger Mütter zu verdanken hatte. Ein eigennütziges Geschenk, wie so viele andere auch. Jetzt, zwei Monate nach der Eröffnung ihres Cafés, befand Katrin sich inmitten von stillenden Müttern, kreischenden Babys, Spielzeug-Tretminen, und das einzige, was mit Kunst zu tun hatte, war das Kunststück, abends halbwegs unbeschadet hier rauszukommen. Ach ja, und die Bilder an der Wand, braungelbgestreifte Leinwände in allen Größen und Varianten. Eine großzügige Spende zur Einweihung. Von Gaby Hollmann!!!
Sie gab Yvonne das aufgewärmte Fläschchen und warf einen Blick auf die Uhr. Halb elf. Heide müsste jeden Moment hier eintrudeln. Und da kam sie auch schon. Mit ihren bunten flatternden Kleidern und den langen roten Locken konnte sie glatt als Teil des Inventars durchgehen. Ihrer Freundin aus Studienzeiten hatte Katrin es zu verdanken, dass das Café so großen Anklang fand. Kaum hatte die spätgebärende Supermami ihren Sprössling in einer Blitzaktion auf die Welt befördert, langweilte sie sich auch schon in ihrem entlegenen Landhaus und machte das Café zu ihrem zweiten Zuhause. Um nicht allein dazusitzen, hatte sie eine Anzeige in einem alternativen Blatt geschaltet, alles zusammengetrommelt, was Windeln trug, und weil es so praktisch war, ihren Arbeitsort ganz nebenbei ins Café verlagert. Ihre psychologischen Beratungen und Kommunikationskurse hielt sie seitdem bei Cappuccino und Käsetorte ab, während sie ihren Nachwuchs vertrauensvoll der allgemeinen Obhut überließ. Immerhin, sie war eine der wenigen, die sie nicht Kaki nannten.
»Hi, Katrin. Alles okay?«
»Oh Mann, ich bin echt urlaubsreif!«
»Machst du mir bitte einen Cappuccino?« Heide ging weiter in den offenen Nebenraum, der in einer Wochenendaktion von den Eltern zu einem Spielparadies umfunktioniert worden war. Statt Kleinkunst lagerten Puzzles, Spielzeug und Märchenbücher in den Regalen, und neuerdings auch handgestrickte, genähte und aufgetragene Kinderwäsche, Kommissionsware, die auf neue Besitzer wartete. 
Während Katrin den Kaffeeautomaten betätigte, fiel ihr Blick auf die Krabbelecke, wo Heide ihren Nachwuchs ablegte. Der kleine Gustav! Sie war damals echt schockiert gewesen, wie man ein so süßes Bündel Gustav nennen konnte. Mittlerweile aber fand sie, dass der Name perfekt zu dem Wonneproppen passte. Mit seinen sechs Monaten war er seinem Daddy wie aus dem runden Gesicht geschnitten. Wie ein nimmersattes Walross lag er in der Spielecke am Boden zwischen wild tollenden Kids, wurde von den größeren gestreichelt, gehätschelt, mit angeknabberten Keksen gemästet und strahlte stets über alle vier Backen. Gustav war eine Art Gemeinschaftseigentum. Alle liebten ihn und irgendwer war immer da, der sich seiner annahm.
Heide setzte sich an den Tisch neben der Bar, Katrin servierte ihr den Cappuccino und gesellte sich seufzend dazu. »Drei Wochen noch. Dann geht’s ab in den Urlaub!« Vor einem guten Jahr hatten sie und Paul sich mit zwei weiteren Pärchen zusammengetan und ein Haus am Gardasee gekauft. Neben Heide und deren Mann Siggi waren noch Gaby und Hanfred Hollmann mit im Boot gewesen. Als sich jedoch die Gelegenheit ergeben hatte, das Nachbarhaus zu kaufen, hatten sich die Hollmanns von dem Gemeinschaftsprojekt verabschiedet. Das war, wie Katrin fand, nicht die schlechteste Idee gewesen, denn mit einer kompromisslosen Möchtegernkünstlerin wie Gaby konnte man nicht unter demselben Dach wohnen.  
»Ich find’s schade, dass wir nicht zusammen hinfahren«, sagte Heide. »Wir könnten uns eine schöne Zeit machen. Die Männer spannen wir zum Babysitten ein und wir gehen eine Runde segeln.«
»Die Hollmanns sind jetzt da unten und wenn Gaby in der Nähe ist, gibt es keine schöne Zeit, das weißt du doch«, beschwerte sich Katrin.
»Ach, komm, du übertreibst. Außerdem wohnen sie jetzt nebenan. Da gibt es doch gar keine Berührungspunkte mehr.«
Okay, nach den unüberwindbaren Differenzen, die es im letzten Jahr bei der Renovierung gegeben hatte, war es natürlich ein Glück, dass Gaby und Hanfred nicht mehr Miteigentümer waren. Aber musste es ausgerechnet das Nachbarhaus sein? Hätte nicht irgendein anderes Haus zufällig zum Verkauf stehen können, am gegenüberliegenden Seeufer zum Beispiel, oder am Lago Maggiore, oder besser noch, auf einem anderen Kontinent? Aber nein! Ihre Nachbarn zu Hause waren auch ihre Nachbarn am Gardasee. Das Wenigste, was Katrin tun konnte, war, nicht zur selben Zeit hinzureisen. Niemand konnte ihr das verdenken. »Es ist alles perfekt durchdacht. Paul und ich fahren, wenn die Hollmanns zurückkommen. Basta!«
Mit einer frischen Windel in der Hand und ihrem Sprössling auf dem Arm kam Vicky an den Tisch. »Gustav hat auch die Hosen voll.«
Heide setzte ihren Hundeblick auf. »Du, ich bin gerade in einem wichtigen Gespräch. Kannst du das nicht schnell mit erledigen? Du musst doch eh wickeln.«
»Klar doch, kein Problem.« Vicky zog ab in den Gang vor den Toiletten, wo der Wickeltisch stand. Noch so eine aufmerksame Zuwendung seitens der Elternschaft.
Es war ja auch ganz lieb von Heide und Vicky und Sonja und Rike und all den anderen jungen Müttern, dass sie nach den Startschwierigkeiten in ihren Kreisen Werbung für das Café gemacht hatten. Über fehlende Kundschaft konnte Katrin sich nicht beklagen. Aber leider über fehlende Umsätze.
»Kaki, die Apfeltarte, ist die mit Nüssen?« Maike stand vor der Vitrine und betrachtete das Angebot an Kuchen und Tartes. 
Katrin erhob sich und ging hinter den Tresen. »Ja, da sind Haselnüsse drin.«
»Oh nee, die darf sie nicht. Hast du was ohne Nüsse?«
»Quarkkäsetorte, zum Beispiel.«
»Hm, Lactose bei Neurodermitis, nee du, das geht gar nicht.«
»Dann nimm doch den Reistaler. Der ist garantiert ohne Nüsse, ohne Lactose und ohne Fructose.«
»Ja, aber mit Gluten.« Unentschlossen stierte Maike noch einen Moment in die Vitrine.
Katrin wusste, wohin das führte. »Komm, pack schon deine eigenen Kekse aus!«, hätte sie am liebsten gesagt, doch sie verkniff es sich.
»Tja, dann kriegt sie eben dieselben trockenen Kekse wie immer. Ist doch okay für dich, oder?«
Katrin resignierte innerlich. Natürlich war es nicht okay, wenn man stundenlang vor einer Tasse Kaffee saß und obendrein noch seine eigene Verpflegung mitbrachte. Kein Lokal konnte so überleben. Aber das Schlimmste an der ganzen Geschichte war, dass Paul mit seiner Prognose mal wieder richtig lag. Vehement hatte er versucht, ihr das Café auszureden, und Ausdrücke wie Zuschussgeschäft und viel Arbeit und keine Zeit mehr für die Familie waren in jedem zweiten Satz gefallen. Wäre es nach ihm gegangen, läge das Geld jetzt festverzinst bei einer Lebensversicherung. Es nagte an ihr, dass er mal wieder recht behielt, und mehr als einmal hatte sie schon bereut, ihm überhaupt von dem Geldsegen erzählt zu haben. Doch in einem Moment der innigen Verbundenheit hatte sie es munter ausgeplaudert. Verschwiegen hatte sie lediglich die nicht ganz lupenreine Art und Weise der Beschaffung, zumal er in Hermann Müller seinen Erzfeind sah. Paul glaubte also an die Erbschaft ihrer entfernt verwandten Großtante in Texas, hatte ihr Dahinscheiden kurz bedauert, um nicht ganz pietätlos dazustehen, und sich prompt seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Er hatte jetzt seine Doppelgarage, Katrin ihr kleines Café – und jede Menge Arbeit.
Sie setzte sich zurück zu Heide.
»Schließt du das Café, wenn ihr in Italien seid?«
»Ja. Die meisten Gäste verreisen ohnehin in den Ferien. Und du? Musst du nichts vorbereiten? Ihr fahrt doch morgen schon.«
»Die Koffer packt Siggi, und um die Verpflegung kümmert er sich auch.«
Eine Welle des Neides erfasste Katrin. Sie hätte Psychologie studieren sollen. So wie Heide. Die hatte es raus, Bekannte und Verwandte für sich einzuspannen. Paul würde nie auf die Idee kommen, die Koffer zu packen. Er packte ja nicht mal seinen eigenen. Katrins Unzufriedenheit nahm allmählich nie gekannte Ausmaße an. Es musste dringend etwas passieren.

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