Urlaub am Gardasee – Nachbarn inklusive
Katrin hat den lukrativen Auftrag von Detektiv Müller in Aussicht: Sie soll den Italiener Roberto Morone der Untreue überführen, Urlaub am Gardasee inklusive. Anfängliche Bedenken wirft sie schnell über Bord, schließlich kennt sie ihre Grenzen. Doch ihre Prinzipien geraten mächtig ins Wanken, als sie dem attraktiven Roberto gegenübersteht.
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Leserstimmen
- diese einzigartigen Charaktere – Menschen wie du und ich, mit Macken und Kanten, super!
- eine Komödie der Extraklasse!
- die Autorin schafft es durch den flüssigen, gradlinigen Schreibstil ohne Verschnörkelungen, den Leser gleich in den Bann zu ziehen.
- liebevoll chaotische Truppe am Gardasee
Leseprobe
Spontaneität war nicht sein Ding! Er sollte es einfach lassen, spontan sein zu wollen. Drei Jahre lang hatte er es geschickt vermieden, einen Supermarkt von innen zu betreten – jetzt hatte es ihn doch erwischt. Und zwar nur, weil er spontan gewesen war. Er könnte sich in den Hintern beißen! Welcher Teufel hatte ihn geritten, die Nachbarn zum Grillen einzuladen, einfach so, aus einer Laune heraus? Er kannte Katrin doch. Besuch von den Nachbarn! Da musste vorher das ganze Haus blankgewienert werden. Und an wem blieb dann der Einkauf hängen? Wenn er schon mal spontan war! Er besaß wirklich viele nennenswerte Eigenschaften, Spontaneität gehörte nicht dazu. Das sollte er sich hinter die Ohren schreiben. Wie kam er jetzt aus dieser Nummer wieder raus?
Der Gedanke an seinen ersten und letzten Großeinkauf in einem dieser Megamärkte trieb Paul Schubert noch heute den Schweiß auf die Stirn. Er steht an der Kasse und sein Geld reicht nicht! Und das an einem Freitagnachmittag, wo sich die Leute in Schlangen vor den Kassen tummeln. Kopfschütteln und böse Mienen hinter ihm. »Sein Geld reicht nicht«, hörte er sie schimpfen, und »Wieder ein Idiot ohne Karte!«
Jawohl! Er lehnte die Dinger ab. Aus Prinzip. Und er stand dazu. Immer noch. Im Prinzip.
Frau Becker, die Kassiererin – an den Namen konnte er sich bis heute erinnern – die gute Frau Becker musste auf die Storno-Tante warten. Sie selbst war nicht befugt zu stornieren. Das verlängerte die Wartezeit um einige lange Minuten. Hinter ihm eine lauter werdende Protestwelle. Manch einer wechselte fluchend in die Nachbarschlange. Mit einem entschuldigenden Dauergrinsen hatte Paul versucht, den Anschein von Coolness zu wahren, tatsächlich aber durchlebte er in diesen Minuten das Trauma seines Lebens, während Frau Becker ein Teil nach dem anderen über den Scanner zog, Kartoffeln, Brokkoli, Käse, Sahne. Sie stornierte sein ganzes schönes Abendessen.
Nun, es war ja nicht so, dass er nicht lernfähig wäre. Wenn Katrin das auch immer wieder gern bezweifelte.
»Da ist die Liste«, brummte sie, als er in die Küche kam. Nicht eines Blickes würdigte sie ihn. Wie besessen schrubbte sie die Fliesen über der Spüle.
Paul überflog die elend lange Einkaufsliste. Himmel Herrgott! Wer sollte denn das alles essen? Sie tat ja gerade so, als würden sie einen Staatsbesuch erwarten. Es waren doch nur die Nachbarn!
»Hast ja recht«, lenkte er versöhnlich ein, »wirklich, ich verstehe, dass du sauer bist. Ich lade die Hollmanns ein, ohne dich zu fragen, und halse dir damit einen Haufen Arbeit auf, während ich gemütlich durch den Supermarkt tingle. Also meinetwegen können wir …«
Katrin stemmte beide Fäuste in die Hüften und warf ihm einen Blick zu, der Tote hätte wecken können.
Okay, er hatte verstanden. Sie wollte nicht tauschen. Sie war sauer, sowas von sauer. Muffelig kramte er in ihrer Handtasche nach dem Portemonnaie und nahm die EC-Karte heraus. Notgedrungen. Das bisschen Bargeld, das er noch bei sich hatte, würde für den Mammuteinkauf kaum ausreichen. Während er die Karte verstaute, stellte er sich vor, wie er den Supermarkt betrat und jene beiden älteren Damen, die damals hinter ihm gestanden hatten, seinen Weg kreuzten, ihn mit fragendem Blick musterten, als würden sie krampfhaft überlegen, wo sie ihn schon mal gesehen hatten, und wie er dann an ihren strahlenden Gesichtern ablesen konnte, dass es ihnen gerade eingefallen war. Das ist doch der Typ von damals, der, bei dem das Geld nicht gereicht hat! – Stimmt! Freitag war’s, weiß ich noch genau, Freitag, fünfzehnter August, Viertel vor zwei, um genau zu sein. Mein Karl hatte schlecht geschlafen die Nacht, dreimal musste er raus, die Blase, weißt du … Ein unbehagliches Gefühl machte sich in Paul breit. Alte Damen konnten sich bisweilen minutiös an die unwichtigsten Details erinnern. Das wusste er von seiner Mutter.
»Wie ist die PIN?«
»6-5-6-4«, zischte Katrin, die jetzt die Spüle blank wienerte, als würde heute Abend ein Preis für die sauberste Spüle verliehen werden.
»6-5-6-4.« In Gedanken sortierte er die Zahlenreihe nach einer logischen Ordnung, einmal die 4, einmal die 5, zweimal die 6 – so war es doch viel leichter zu merken. Dann machte er sich auf die Socken.
Katrin horchte auf. Perfekt! Paul brauste gerade mit dem Wagen davon. Prompt entledigte sie sich der Gummihandschuhe, warf die Schürze auf die Eckbank, und flitzte nach oben. So ungelegen, wie sie anfangs gedacht hatte, kam der Besuch der Nachbarn gar nicht. Nicht etwa wegen der Hollmanns – auf die hätte sie gut und gerne verzichten können. Aber so konnte sie nun ihren Termin wahrnehmen, ohne lang und breit erklären zu müssen, wohin sie ging, und wofür sie sich so herausputzte. Wozu die Pferde scheu machen, wenn sie noch gar nicht wusste, was bei dem Treffen herauskommen würde? Paul war für die nächsten drei, vier Stunden beschäftigt. Sie hatte eine extra lange Einkaufsliste erstellt – lauter Vorräte würde er kaufen, die vermutlich bis Weihnachten reichen würden. Bis er von diesem Marathon zurückkam, heute am Samstag, würde sie längst wieder zu Hause sein. Ihr werter Gatte durfte zwar alles essen, schlank und drahtig wie er war, aber wissen musste er längst nicht alles. Jedenfalls nicht gleich. Eine Strategie, die sich im Umgang mit ihm bewährt hatte.
»Lena, kannst du bitte unten ein bisschen aufräumen. Die Hollmanns kommen heute Abend und ich muss dringend noch mal weg.«
Lena saß gemütlich in ihrer Dachkammer auf dem Bett mit dem Notebook auf den Knien.
»Oh, deine Lieblingsnachbarn. Wie kommt’s?«
»Frag deinen Vater. Du, ich hab’s eilig. Kann ich mich auf dich verlassen?«
»Na klar. Eine Stunde hab ich noch.«
Katrin zog ihr bestes Kostüm an, dazu das einzige Paar High Heels, das sie besaß, trug Make-up auf und radelte so zu ihrem Treffpunkt in der Innenstadt. Mit etwas Verspätung – den fürs Radfahren ungeeigneten Schuhen wegen – kam sie schließlich an. Suchend blickte sie sich im Innenhof des gut besuchten Bistros um. Hatten sie ein Erkennungszeichen vereinbart? Sie konnte sich nicht erinnern. Wie sollten sie sich hier finden?
»Katrin!«, rief plötzlich jemand hinter ihr.
Katrin wandte sich um. »Hermann!«
Hermann Müller, Detektiv mit Ambitionen zur Schriftstellerei und Katrins hartnäckigster Verehrer aus alten Zeiten, kam breit lachend auf sie zu und umarmte sie mit Inbrunst. »Wie schön, dich zu sehen.«
Sanft wiegte er sie hin und her. Vor all diesen Leuten! Oh mein Gott, wenn ihre Verabredung sie hier so sah! Freundlich, aber bestimmt befreite sie sich aus seinen Klauen.
»Hermann, freut mich auch, wirklich, aber ich bin verabredet.«
»Ja, ich weiß. Mit mir!«
Katrin legte die Stirn in Falten. Da musste ein Missverständnis vorliegen. Das konnte nur ein Scherz sein. Ja, Paul wollte sie testen – nein, er wollte sie reinlegen. Das hier war »Versteckte Kamera«. Mit geschärftem Blick durchkämmte sie das Lokal nach verräterischen Indizien.
»Komm, setz dich zu mir.« Hermann hakte sich vertraut bei ihr ein und schob sie an seinen Tisch. »Was willst du trinken?«
Irritiert setzte Katrin sich. Ihr Blick schweifte derweil weiter in die Runde. Keine auf sie gerichteten versteckten Kameralinsen oder sich auffällig unauffällig verhaltende Komparsen zu entdecken.
»Kaffee? Kuchen? Du, die haben leckere Apfeltorte hier.«
»Prosecco für mich.«
»Hast auch recht. Unser Wiedersehen muss begossen werden.«
Hermann bestellte eine ganze Flasche. Kurz darauf brachte der Kellner die Prosecco-Flasche und zwei Gläser mit einer golden sprudelnden Flüssigkeit darin. Hermann prostete Katrin zwinkernd zu: »Na dann, auf uns beide.«
In einem Zug leerte Katrin ihr Glas.
»Katrin, Katrin, dass du dich auf so eine Anzeige meldest!« Hermann steckte sich eine Zigarette an und grinste ihr ungeniert entgegen.
Er hatte sich nicht verändert. Immer noch dieselbe unmögliche Frisur, mit der er sich seit jeher unwiderstehlich fand. Alle Augenblicke warf er das viel zu lange Deckhaar mit einer zackigen Kopfbewegung aus den Augen, oder klemmte es mit beiden Händen hinter die Ohren. Und dieser Dreitagebart! Bei manchen Männern wirkte er alles andere als sexy. Hermann war einer von diesen wenigen. Katrins gesamte Hoffnungen schmolzen dahin, als sie realisierte, dass ausgerechnet er es war, der hinter dem vielversprechenden Inserat steckte. Sie brauchte jetzt noch einen Schluck Prosecco.
»Für mich klang das seriös«, antwortete sie und schenkte ihr Glas voll.
»Oh, das ist es absolut!«
»Darf ich?« Sie nahm die Zigarettenschachtel. Eigentlich verabscheute sie das Zeug, jetzt aber hoffte sie auf eine beruhigende Wirkung. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
»Oh, ‘tschuldige. Natürlich.«
Katrin steckte sich eine an, sog den Rauch tief ein und lehnte sich nach hinten. Nun gut, wenn sie schon hier saß, konnte sie sich auch anhören, worum es ging. Der Text der Anzeige hatte ja so ziemlich alles offengelassen.
»Wie kommt’s, dass du Arbeit suchst? Kann Paul, der alte Geizhals, euch nicht mehr durchbringen? Oder hast du dich endlich von ihm getrennt?«
»Lass Paul aus dem Spiel, okay?«
»Ja, ja, schon gut. Aber seinen Kinnhaken hab ich bis heute nicht vergessen. Wie lange ist das her? Drei Jahre – und ich spür’s immer noch. Hier, fühl mal die Delle im Unterkiefer.« Er rieb sich das Kinn.
Katrin lehnte dankend ab und schmunzelte. Das war tatsächlich das erste Mal, dass Paul sich für sie geprügelt hatte. »Ich hatte in meiner E-Mail ja schon geschrieben, dass ich eine befristete Stelle in einem Immobilienbüro habe. In Kürze kommt die Sekretärin aus dem Mutterschutz zurück. Dann war’s das für mich. Keine Ahnung, wie viele Bewerbungen ich schon verschickt habe – ohne Erfolg. Ich bin vierzig. Da ist der Zug wohl abgefahren.«
»Für diesen Job, Katrin, bist du im allerbesten Alter.«
Neugierig lehnte Katrin sich vor. »Jetzt mal raus mit der Sprache. Worum geht’s?«
»Hast du gewusst, dass fünfundachtzig Prozent der italienischen Männer fremdgehen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Bis vor Kurzem.«
»Und?«
»Eine dieser betrogenen Ehefrauen – klasse Frau übrigens, und steinreich – hat mich engagiert. Francesca heißt sie.«
»Ach! Eine Italienerin engagiert dich? Wie kommt sie ausgerechnet auf dich?«
Hermann streifte überheblich sein Haar nach hinten. »Meine Homepage. Klasse Auftritt. Seriös und absolut vertrauenswürdig.«
Intuitiv zog Katrin die Augenbrauen hoch. Den Auftritt würde sie sich gern ansehen.
»Es wär ja auch witzlos, für den Job einen Italiener zu nehmen. Die Jungs sind untereinander alle per Du, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Schon. Aber …«
»Da ist ordentlich Kohle drin, Katrin, für mich, und wenn du willst, auch für dich.«
»Aber wofür denn nun genau?«
»Na ja«, druckste Hermann herum, »bin ja schon ’ne ganze Weile an dem Gatten dran. Der Hund ist treuer als der Dackel meiner Vermieterin. Und leider hat die Sache einen kleinen Haken: Die Kohle gibt’s nur im Erfolgsfall, verstehst du?«
»Äh, nicht so richtig.«
»Katrin, denk doch mal nach. Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen.«
Katrin rief sich den Text der Anzeige in Erinnerung und zuckte mit den Schultern. »Mach’s nicht so spannend.«
»Ich brauche einen Lockvogel!«
Katrin verschluckte sich am Rauch, hustete und drückte rasch die Kippe aus.
»Du, meine liebe Katrin, bist genau der Typ Frau, den die italienischen Männer lieben, ach, was sag ich, vergöttern. Und ich übrigens auch, aber das weißt du ja.« Seine Miene nahm leidende Züge an. »Als ich deine E-Mail las, da war alles wieder da … du, ganz in Weiß, neben dir Paul, der Griesgram, ihr beide vor dem Traualtar! Das war wie ein Dolch in meiner Brust.«
Es wurde Zeit aufzubrechen. Hastig warf Katrin einen Blick auf die Uhr. »So spät schon. Jetzt muss ich aber los. Die Familie wartet. Tut mir leid, aber für mich ist der Job nicht das Richtige. Du hast doch sicher noch andere Bewerberinnen.« Sie trank den letzten Schluck Prosecco, nahm ihre Tasche und erhob sich zum Gehen.
»Zwei Mille.«
»Bitte?«
»Zwei Mille für dich. Und Ferien in Garda. Hübscher kleiner Ort direkt am Gardasee. Wenn’s sein muss, mit Paul, dem Pfennigfuchser.«
Katrin schluckte. »Du spinnst.«
»Hier, meine Karte. Denk drüber nach. Ich wäre entzückt.«
Energisch trat Katrin in die Pedale. Sie war enttäuscht. Die erste Einladung auf ihre zahlreichen Bewerbungen – und dann das! Hermann Müller wie er leibt und lebt. Wofür hielt er sie? Sie sollte einen Italiener verführen, ausgerechnet sie, wo es in Italien von schönen Frauen nur so wimmelte? Er musste ein völlig verzerrtes Bild von ihr haben, sah womöglich immer noch das junge kesse Mädchen in ihr, das sie vor zwanzig Jahren mal gewesen war. Das alles war ja so absurd! Sie suchte eine Stelle hier vor Ort, im Büro, etwas Solides, etwas Dauerhaftes, etwas Berechenbares, etwas … Langweiliges.