Ein Auftrag kommt selten allein
Nina Thaler platzt fast vor Stolz, als sie mit ihrem Büroservice den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Jetzt fehlen nur noch ein paar lukrative Aufträge. Freundin Britta, reich verheiratet und stets gelangweilt, sagt ihre volle Unterstützung zu, Nina aber sieht das mit gemischten Gefühlen. Einerseits verfügt Britta über jede Menge vielversprechender Kontakte, andererseits mischt sie gerne mit, und meistens leider mehr als nötig.
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Leserstimmen
- Was für eine frische, schwungvolle Komödie!
- es kommt zu Irrungen und Wirrungen, was beim Lesen für ziemlich viel Spaß sorgt
- eine Mischung aus augenzwinkerndem Humor, Ernsthaftigkeit und überraschenden Wendungen
Leseprobe
»Nina, du sollst zum Chef.«
Überrascht blicke ich von meinem aufgeräumten Schreibtisch auf, als Camilla, meine liebenswerte, aber vollkommen unorganisierte Kollegin mir diese Nachricht übermittelt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als mir die Tragweite dieser Mitteilung bewusst wird. Der Chef will mich sprechen! Der Chef! Ostermann! Persönlich! Ich schnappe nach Luft, während ich schon vor mir sehe, wie er von seinem schwarzen Ledersessel aufspringt, als ich sein Büro betrete, und mich ehrfürchtig an den Besprechungstisch geleitet. Ich habe es verdient, ich habe mein Bestes gegeben! Ich habe das Chaos, das ich vor zweieinhalb Monaten übernommen habe, komplett umstrukturiert und in ein perfekt durchorganisiertes, idiotensicheres System verwandelt. Jetzt ist es so weit, die Mühe zahlt sich aus. In wenigen Minuten halte ich meinen unbefristeten Arbeitsvertrag inklusive Gehaltserhöhung, dreizehntes Monatsgehalt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Händen. Diesmal ganz gewiss, ich habe ein megasupergutes Gefühl.
Ich stehe auf, schiebe meinen Rock zurecht, prüfe meinen Bob im Taschenspiegel und ziehe die Lippen nach.
»Wünsch mir Glück«, sage ich zu Camilla, dann werfe ich den Kopf in den Nacken, marschiere siegessicher den langen Flur entlang und klopfe an Ostermanns Bürotür.
»Ja, bitte!«
Ich straffe die Schultern nochmal, öffne die Tür und trete ein. »Sie wollen mich sprechen?«
»Frau Thaler, setzen Sie sich doch.« Er springt nicht auf, weist nur lax auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und macht sich nicht einmal die Mühe aufzublicken. Mit dem Montblanc-Füller in der Hand blättert er in der Korrespondenzmappe, die Camilla ihm gerade gebracht hat, und setzt hier und da seinen Friedrich-Wilhelm drunter.
Während er mich warten lässt, fast schon ignoriert, gleitet mein Blick suchend über seinen Schreibtisch. Ja, da liegt sie, meine Personalakte fett beschriftet mit Nina Thaler. Es geht tatsächlich um meine Zukunft. Erleichtert atme ich auf. Er blättert in der Korrespondenzmappe weiter, ich drücke die Knie aneinander. Das mache ich immer automatisch, wenn ich unter Anspannung stehe. Und gerade jetzt in diesem Moment ist meine Anspannung unermesslich groß. Am liebsten würde ich ihn unterbrechen und herausposaunen: »Ich bin mit allem einverstanden! Wo soll ich unterschreiben?«, doch alles, was meinem Mund entweicht, ist ein dezentes Räuspern.
Na endlich, er schraubt die Kappe auf den Füller, schließt die Mappe und blickt mich über seine Lesebrille hinweg an.
»Frau Thaler. Ich denke, Sie wissen, warum ich Sie hergebeten habe?«
Ich setze ein selbstbewusstes Lächeln auf. »Ich denke ja.«
»Um es kurz zu machen: Ich bin äußerst zufrieden mit Ihnen. Sie haben einen hervorragenden Job gemacht.«
Für einen winzigen Moment irritiert mich die Vergangenheitsform: Sie haben gemacht. Doch ich schiebe den Gedanken schnell beiseite und besinne mich auf das Lob. »Danke. Die Arbeit gefällt mir sehr und ich liebe die Herausforderung.«
»Sie haben allen Grund, stolz auf sich zu sein. Sie sind ein wahres Organisationsgenie.«
Talent, okay, aber Genie?, denke ich. Das ist fast ein bisschen viel des Lobes. Warum kommt er nicht zur Sache? »Oh, vielen Dank.« Um meine Integrität unter Beweis zu stellen, füge ich hinzu: »Mit dem Team komme ich auch prima zurecht.«
»Ja!«, sagt Ostermann mit tiefem Bass. Dann kommt erstmal nichts, fast so, als wäre das genau das Problem. Er starrt auf seinen Montblanc-Füller, dann holt er tief Luft und legt die Stirn in Falten. »Sie haben einen so guten Job gemacht, Frau Thaler, dass ich jetzt gar nicht weiß, womit ich Sie noch beschäftigen soll.«
Ich glaube, ich habe mich verhört. Das ist ein Witz, oder? Anders kann es gar nicht sein. Es handelt sich um einen Witz, um eine Art Test, er prüft, wie leicht ich mich ins Bockshorn jagen lasse. Ich lache spitz. »Das ist lustig. Fast wäre ich drauf reingefallen«, sage ich erheitert. Doch als ich seine Miene sehe, kommt es mir selbst komisch vor, dass der staubtrockene Endvierziger einen Witz gemacht haben soll.
»Das ist kein Witz«, sagt er prompt.
Er meint es ernst. »Nein, natürlich nicht.«
»Wo können wir Ihre überdurchschnittlichen Fähigkeiten in unserem Kleinbetrieb noch sinnvoll einsetzen? Sagen Sie es mir, Frau Thaler.«
Ich gehe in Angriffsstellung und versuche zu retten, was noch zu retten ist. »So gut wie überall, Buchführung, Löhne und Gehälter, Auftragsbearbeitung, Steuervoranmeldungen … ich bin in allen Bereichen der Verwaltung fit.«
»Ja ja, das haben Sie mehr als genug bewiesen. Das Problem ist, Frau Thaler, wenn Sie das alles mit Links machen, was bleibt dann noch für die beiden Kolleginnen? Soll ich die nach Hause schicken?«
»Äh, nein, aber …«
»Frau Schütz ist seit über zwanzig Jahren bei uns …«
»Sie geht bald in Rente«, unterbreche ich ihn.
Er ignoriert meinen Einwand. »… und Frau Sonnental hat zwei kleine Kinder.«
»Ja, aber genau deshalb fällt sie oft aus, krankheitsbedingt und so.«
»So ist das nun mal als Mutter. Das muss eine Gesellschaft wie unsere mittragen.«
»Aber ich habe auch ein Kind, Lotte, neun Jahre, dritte Klasse, sie war noch nie krank.«
»Aber Sie sind verheiratet, Frau Thaler.«
»Wir leben in Trennung.«
»Frau Thaler, bitte! Wir alle haben eine soziale Verantwortung. Eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern braucht unseren Schutz, die dürfen wir nicht auf die Straße schicken. Da müssen wir doch gar nicht lange diskutieren!« Plötzlich klingt er ziemlich ungehalten, meine Einwände prallen an ihm ab. Er nimmt meine Personalakte zur Hand, schlägt sie auf und sieht mich mit ernster Miene an. »Ich habe es mir folgendermaßen gedacht: Ihre Probezeit läuft Ende Juli aus, also in gut zwei Wochen. Mit Rücksicht auf Sie würde ich allerdings vorschlagen, dass wir auf die Kündigungsfrist verzichten und den Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen mit sofortiger Wirkung auflösen.«
»Mit Rücksicht auf mich?«, frage ich irritiert. Mit Rücksicht auf mich feuert er mich, oder was?
»Es wäre doch sicher unangenehm für Sie, weiterhin kommen zu müssen, wenn das Ende … also, das Ende schon beschlossen ist und die Kollegen Bescheid wissen und so …« Dezent schiebt er mir die zwei Ausfertigungen des Aufhebungsvertrages hin und reicht mir seinen Füller. »Na, kommen Sie, machen Sie es uns nicht schwerer als nötig.«
Noch benebelt von der unerwarteten Wendung des Gesprächs unterschreibe ich, falte wie in Trance die Ausfertigung für den Arbeitnehmer zusammen und stehe auf.
Er steht ebenfalls auf, geht um den Schreibtisch herum und reicht mir die Hand. »Nehmen Sie es nicht so schwer. Sie sind jung. Ich bin sicher, Sie finden schnell etwas, das Ihrer hohen Qualifikation entspricht. Ich werde Sie auf jeden Fall weiterempfehlen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.«
Ich bedanke mich auch noch für den Rausschmiss und dackele mit hängenden Schultern zurück ins Büro.
»Nina, du bist ja ganz blass. Was ist denn los?«, fragt Camilla mitfühlend.
»Ich muss gehen.« Nur mit Mühe kann ich die Tränen zurückhalten.
»Wie, du musst gehen?«
Ich wedle mit dem Papier in meiner Hand. »Das ist mein Aufhebungsvertrag.«
»Und den hast du unterschrieben? Das hättest du nicht tun müssen.«
Mutlos zucke ich mit den Schultern. »Auf die zwei Wochen kommt es jetzt auch nicht mehr an.« Dann fange ich an, meine wenigen persönlichen Sachen in die Tasche zu räumen und verabschiede mich von Camilla und Frau Schütz. Es ist ein Jammer, wir waren ein so tolles Team.
Wütend und enttäuscht steige ich in meinen roten Seat und fahre heim. Frank steht an der Kaffeemaschine, als ich in die Küche komme, und füllt gerade Kaffee in seine Einskommafünf-Liter-Warmhaltekanne.
»Fühl dich ruhig wie zu Hause«, fahre ich ihn an. Und schon tut es mir leid, dass er meinen Frust abkriegt, aber ich kann einfach nicht mit einem Fingerschnippen auf gute Laune umschalten.
Er dreht sich zu mir um und stemmt die linke Hand in die Hüfte. Mit dieser überlegenen Geste gibt er mir meistens zu verstehen, dass er mit irgendwas nicht einverstanden ist. »Was hat sich seit gestern geändert?«
»Was meinst du?«
»Gestern war es okay für dich, dass ich in deiner Küche stehe, mir einen Kaffee eingieße, das ich hier bin. Also, was ist heute anders?«
»Heute spreche ich aus, was ich gestern nur dachte.«
Amüsiert schüttelt er den Kopf und löffelt Zucker in seine Warmhaltekanne.
»Was?«, fauche ich. Seine selbstgefällige Art heizt meinen Frust noch mehr an.
»Da hat aber jemand schlechte Laune.«
»Ist ja nicht verboten, oder?«
Er schraubt seine Kanne zu und sieht mich an. »Du machst mich neugierig. Was ist passiert?«
»Ich wurde gefeuert. Das ist passiert!«
»Echt? Schon wieder?«
»Anscheinend bin ich zu blöd für diesen Job.«
»Ach, du solltest das nicht persönlich nehmen.«
»Hallo? Ich bin entlassen worden. Geht es noch persönlicher?« Den Tränen nahe setze ich mich auf die Eckbank. »Ich weiß nicht, was ich noch besser machen kann. Es war die achte Stelle innerhalb der letzten drei Jahre, jedes Mal werden mir meine herausragenden Leistungen bescheinigt: Vielen Dank, Frau Thaler, wir sind ausgesprochen zufrieden mit Ihnen, und als Zeichen der Anerkennung wird mir feierlich die Kündigung überreicht. Und Ostermann, der Heuchler, wartet nicht mal das Ende der Probezeit ab, er legt mir gleich den Aufhebungsvertrag hin.«
»Den hast du aber nicht unterschrieben?«
»Doch! Und genau das ärgert mich jetzt. Aber ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich war fest davon überzeugt, dass ich diesmal einen unbefristeten Vertrag bekomme. Und dann das! Da wollte ich einfach nur noch weg.«
Frank lehnt an der Arbeitsplatte und reibt sich nachdenklich das Kinn. »Irgendwas läuft da schief.«
»Ach nee. Merkst du das auch schon?« Warum erzähle ich ihm das alles überhaupt? Er kann mir da am wenigsten weiterhelfen. »Und was tut sich bei dir? Hast du mit Christian gesprochen?«
Er wendet sich ab, denn das ist nicht sein Lieblingsthema.
»Ich geh mal wieder rüber. Wenn du Zeit für dich brauchst, schick Lotte nach dem Essen zu mir«, sagt er und zieht mit seiner Kanne ab.
Ich sitze noch eine Weile reglos da, dann nehme ich mein Handy aus der Hosentasche und wähle Brittas Nummer. Sie hat immer einen guten Rat auf Lager. Allerdings vergnügt sie sich momentan mit ihrem Mann auf Korfu, wo sie ein exklusives Ferienhaus am Meer besitzen, und eigentlich störe ich das Paar nur ungern. Aber das hier ist ein Notfall. Es klingelt einige Male und ich will schon wieder auflegen, als Brittas Stimme erklingt.
»Hey, Nina, was gibt’s?«
»Alles gut bei euch?«
Britta lacht. »Alles bestens. Mach dir um uns keine Sorgen.«
»Hast du einen Moment? Ich brauche deinen Rat.«
Britta kichert. »Enno, lass das. Ich telefoniere«, höre ich durch die Leitung. »Nina, jetzt bin ich da. Mein Mann ist heute ein bisschen anhänglich.«
»Sie haben mir schon wieder gekündigt«, platzt es aus mir heraus. Und schon spüre ich wieder die Tränen aufsteigen.
»Oh Mann. Irgendwas läuft da falsch.«
Den Spruch habe ich gerade schon gehört, denke ich nur.
»Was ist?«, höre ich Enno fragen.
»Sie hat den Job schon wieder verloren«, erklärt Britta ihm.
»Diesmal hatte ich so ein gutes Gefühl«, sage ich, nicht sicher, ob Britta überhaupt noch zuhört.
»Du musst größer denken, Nina«, kommt es von Enno aus dem Hintergrund.
Na klar: Größer denken! Enno, das Finanzgenie, kann sich doch überhaupt nicht in die Lage einer kleinen Angestellten versetzen. So viel Ignoranz ärgert mich. Ich hätte lieber mit Britta allein gesprochen. »Klingt echt super! Dann soll er mir mal verraten, wie das geht.«
»Enno, wie das gehen soll, fragt Nina«, sagt Britta zu ihrem Mann.
»Gib mal her.« Plötzlich habe ich Enno am Apparat. »Das, was du machst, Nina, das lassen andere sich gut bezahlen. Denk mal drüber nach.«
»Nina, du hast es gehört. Du musst größer denken.« Dann kreischt Britta los, ich vernehme noch albernes Gelächter und das Gespräch ist weg.
Größer denken, wiederhole ich in Gedanken. Das, was du machst, lassen andere sich gut bezahlen. Denk mal drüber nach. Ich denke drüber nach, während ich den Salat wasche, die Tomate zerkleinere, Zwiebeln und Knoblauch feinhacke, das Wasser für die Nudeln aufsetze … Was ich mache, lassen andere sich gut bezahlen. Warum also mache ich es nicht wie die anderen? Ich denke drüber nach, wie das in der Praxis aussehen kann und als mein Töchterchen von der Schule nach Hause kommt, die Spaghetti mit Tomatensauce und der bunte Salat auf dem Tisch stehen, da habe ich zu Ende gedacht:
Es gibt eine Lösung aus dem Dilemma!